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Wenn etwas nicht gut ist, ist es nicht gut

Letzte Nacht ist mir wieder bewusst geworden, dass ich vor genau einem Jahr, also am 01.03.2021, die Eigenbedarfskündigung für meine Leipziger Wohnung bekommen hatte. Tagelang war ich in einer Schockstarre gefangen, bis der nächste Brocken kam: Die Vorladung als Zeugin vor Gericht, um gegen das Stalking auszusagen. Denn ich dachte gestern über meine aktuelle Situation nach und wollte nachschauen, was vor einem Jahr los war. Ich las meinen Blogartikel dazu und alles stand wieder innerlich klar vor mir. Dann musste ich tief durchatmen und den Kopf schütteln.

 

Ich gestehe, dass es momentan nicht ganz einfach ist. Das WG-Leben gestaltet sich als schwierig und auch hier habe ich es wieder mit lauten Nachbarn zu tun. Langsam komme ich mir verflucht vor :-). Mein Mitbewohner hat es leider jahrelang versäumt, seine Nachbarn um mehr Ruhe zu bitten; einem über uns wohnendem Drogendealer hat er bzw. die ganze Hausgemeinschaft nie Grenzen gesetzt. Ich sitze oft hier und frage mich, was das eigentlich alles soll.

 

Also wieder umziehen? Im Kopf bin ich es schon. Aber da schließt sich gleich die nächste Herausforderung an: Es geht mir körperlich bei Weitem nicht so gut, wie ich es eigentlich gerne hätte. Zwar habe ich nach Jahren endlich ein paar Kilo zugenommen. Doch diffuse Übelkeitsattacken machen mir das Leben schwer. Seit November kämpfe ich mit starken Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich, mir helfen keine Übungen. Ich weiß mittlerweile, dass die laute Umgebung hier eine Ursache dafür ist. Ich ahne, dass aber auch mein jahrelanges Skin Picking seinen Teil dazu beigetragen hat. Ich schaue dabei ja ständig nach unten und bin stark angespannt. Und das nun bald seit 20 Jahren. Es ist so kurios: Während des Skin Pickings spüre ich die Schmerzen im Rücken und im Kiefer nicht. Danach aber umso heftiger.

Skin Picking: Wenn etwas nicht gut ist, ist es nicht gut
Aktuelles Hautbild

Ich möchte so gerne schreiben „Es geht mir gut. Ich bin glücklich im Moment.“ Aber das wäre gelogen. Gleichzeitig will ich mir nicht eingestehen, dass es mir zur Zeit nicht gut geht. Ich habe dann den Eindruck, versagt zu haben. Das sind, nach allem, was ich in den letzten 3,5 Jahren erlebt und geschafft habe, echte Scheißmomente. Ich will sie nicht haben. Gedanklich gehe ich dann zurück und frage mich, was ich falsch gemacht habe. Wo bin ich falsch abgebogen? Aber ich komme immer wieder zu dem Schluss: Es ist ok. Es passt so. Genau so soll es jetzt sein. Nein, besser geht es mir danach nicht. In solchen Momenten blättere ich dann durch meine Tagebücher und spüre: „Die Kirsten von damals hat so gekämpft, neue Wege gefunden und wollte endlich ein gutes Leben führen. Für diese Kirsten kämpfe ich jetzt.“ Das lässt mich den Kopf dann wieder hochheben.

 

Schon wieder rücksichtslose Nachbarn, ein Mitbewohner, der ausschließlich von sich selbst erzählt, mein Körper, der zu viel aushalten musste und mir nun die Rechnung präsentiert (und dieser, aus meiner Sicht, so unsinnige Krieg in der Ukraine) – Wie es weitergehen soll, kann ich momentan nicht beantworten. Das ist für mich am schlimmsten: Keine Perspektive zu haben. Etwas aushalten zu müssen. Da ist kein Zeichen in mir, keine Vorahnung, gar nichts. Wenn ich weiß, dass ich irgendwas Unangenehmes noch 3, 6, von mir aus auch 12 Monate durchhalten muss, ist das für mich ok. Dann ist da ein „Zielpunkt“ und das Unangenehme ist schon nicht mehr ganz so unangenehm. Doch wenn da nichts ist…..

 

Am 09.03.22 muss ich es irgendwie nach Berlin zum "Psychiatrischen Zusatzgutachten" für das Jobcenter Cottbus schaffen. Das ist nicht abwertend gemeint. In meiner jetzigen körperlichen Verfassung machen mir Hin- und Rückweg allerdings große Angst. Mir ist natürlich bewusst, dass das bei den Verspannungen wenig hilfreich ist. Im Dezember hatte ich allen Mut zusammengenommen und meiner Sachbearbeiterin im Jobcenter gesagt, dass der "klassische Arbeitsmarkt" nicht mehr mein Weg ist. Ich hatte alle Arztunterlagen und die Nachweise zur Entwicklung von Unverschlossen zusammengesammelt, woraufhin sie mir das Angebot mit der ärztlichen Untersuchung machte. Das hätte auch anders ausgehen können. Aber das Treffen und Durchziehen solcher Entscheidungen bedeutet für mich eben "dem eigenen Herzen folgen". Das ist nicht immer angenehm und rosarot, oft empfinde ich das sogar als sehr beängstigend.

 

An solchen Stellen schreibe ich sonst etwas Positives, Aufmunterndes. Die Entwicklung meiner Webseite, meine Ziele für 2022, die Entwicklung auf Pinterest. Aber danach ist mir gerade nicht. Und zur „Gedankenverbieger-Gruppe“ gehöre ich nicht. Wenn etwas scheiße ist, dann ist es scheiße. Entgegen meiner sonst üblichen Schreibweise lasse ich das jetzt einfach mal so stehen.

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Kommentare: 4
  • #1

    sonus & fumus (Donnerstag, 03 März 2022)

    Den Blick nach vorne zu richten, auf das, was einmal sein kann, könnte vielleicht ein Lichtblick sein. So wie du es angehst: Ziele zu definieren, wie du dein Leben in ein paar Jahren vorstellst und was du auf dem Weg dafür tun kannst. Hin und wieder zeitweise selbst zu reflektieren, wenn du das Gefühl hast, dich selbst durch das Tal pushen zu müssen. Dem Herzen folgen, bis du dir deiner Ziele bis ins Mark voll bewusst wirst, ist gut! Emotionen weisen den Weg, wie du schon oft geschrieben hast, weil sie aufrichtig sind. Indem wir uns Ängsten aufrecht und regelmäßig entgegenstellen, werden wir sicherer im Umgang mit Ihnen. Dann verschwindet auch die ängstliche Haltung und weicht einer Art Gelassenheit/ Weisheit, dass du auch diese Hindernisse überwinden kannst und stärker aus dem Prozess hervorkommst. Ich drücke dir die Daumen!

  • #2

    Kirsten (Donnerstag, 03 März 2022 23:10)

    Ich danke dir für deine Anteilnahme! Heute war die Stimmung wieder besser und erste Erkenntnisse purzelten auch schon. Und ich empfinde genauso, wie du schreibst: Letztlich sind es Ängste, die mich scheinbar zurückhalten. Aber Angst sehe ich mittlerweile ja als Warn- bzw. Schutzhinweis. Sie will mich davor schützen, mich selbst wieder so zu übergehen wie früher. Als ich das heute sehen konnte, gestaltete sich mein Tag wesentlich einfacher :-).

    Danke für deine lieben Worte!

  • #3

    Stephan Keßler (Mittwoch, 09 März 2022 09:30)

    Liebe Kirsten,
    gerne mag ich Dir hier ein paar Worte hinterlassen, in dieser schwierigen Phase. Du wirst diese bestimmt meistern, denn wie Du schon trefflich schriebst, hast Du bereits andere große Hürden genommen und schwierige Themen aufgelöst bzw. gehst sie gerade an.
    Tiefphasen wie jetzt (oder empfundene Rückschläge) sind eine Chance, sich an seine Entwicklung zu erinnern, was man geschafft hat, was noch vor einem liegt und um zu bemerken, dass es einem auch schon schlechter ging.
    Die Vergangenheit muss allumfassend verarbeitet und losgelassen werden, dazu gehören eben Zeiten wie diese. Umso erfreulicher ist es, dass Du das alles eh schon weisst ;) Ich mag Dich nur bestätigen und bestärken: weiter so! Du machst das toll!
    Herzliche Grüße
    Stephan

  • #4

    Kirsten (Mittwoch, 09 März 2022 17:25)

    Lieber Stephan,

    ja, es stimmt, was du schreibst: Mir ist zwar völlig bewusst, wo diese Themen herkommen und dass die Situation eben ist, wie sie ist. Aber unabhängig davon tut es manchmal auch einfach gut, wenn man aufbauende Worte wie deine liest :-). Danke für deine Anteilnahme!

    Herzlicher Gruß,
    Kirsten