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25.11.2018: Verzweiflung, Suizidalität und Zuversicht

Ich habe gestern Abend die Angstattacke meines Lebens überstanden. Sie war so schlimm, dass ich wirklich nicht mehr weiter wusste und mir am liebsten das Leben genommen hätte. Meine Gedanken und Gefühle hatte ich am PC dazu aufgeschrieben, wobei das nicht dazu dienen sollte, mich vom Selbstmord abzuhalten (das schreibt sich furchtbar). Denn genau dieser Gedanke (ich schreibe, um etwas nicht zu tun bzw. zu fühlen) brachte mich darauf, dass ich mich selber maßregle. „Ich darf solche Gedanken nicht haben.“, „Ich darf keine Todesangst haben.“, „Ich darf nicht sehr verzweifelt sein.“ Doch, darf ich sehr wohl!!! Und ich will sie wahrnehmen! Und ich möchte, dass ich mit ihnen respektvoll umgehe und sie genauso beachte wie Gefühle wie Stolz, Geliebtwerden, Mut usw.! Ich glaube, ich habe deshalb geschrieben, weil ich spürte, dass das Schreiben wie ein Ventil für mich ist, um erstmal den Schmerz etwas zu mildern. Ich wollte das starke Gefühl (ich denke, es war Todesangst) damit nicht verdrängen. Oder „kleinmachen“. Aber irgendwie musste der Schmerz aus mir raus. Und dann ist was passiert (Übrigens war ich letzte Nacht dann doch weg – aber nicht, aus Angst, was zu verpassen oder dass ich keine Freude im Leben habe. Ich wollte einfach unter Menschen sein, Musik hören, tanzen, Wein trinken -> einfach das Leben genießen).

 

Ich habe heute verstanden, dass ich durch meine Grübelschleifen und sehr starke Gedankenmacherei (also durch meine Depression) meine Ängste noch verstärke und potenziere.

 

**STOP** Ich schreibe an dem Punkt gleich weiter. Ich glaube, ich weiß, was mich am Selbstmord gehindert hat. Wenn ich das Wort „Selbstmord“ schreibe, spüre ich, dass ich irgendwo in meinem Kopf denke: „Das macht man nicht.“ Und das macht mich (wie auch gestern) – wütend. Wenn ich Todesangst und Verzweiflung fühle, dann will ich da nicht gemaßregelt werden (wohlgemerkt, das mache ich selbst). Ich will diesen Gefühlen genauso den Raum geben wie eben anderen Gefühlen auch. Und ich glaube, diese Wut auf meine Maßregelung hat mich dazu gebracht, meine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. Nach dem Motto: „Du blöde Maßregelung, dir zeige ich es jetzt. Ich habe genug von dir.“ Und das Schreiben brachte mich dann auch wieder runter.

 

Ich will Selbstmord an der Stelle gar nicht verteufeln (dann wäre ich ja eben wieder beim Thema Maßregelung). Selbstmord ist ein Verhalten, dem Gefühle zugrundeliegen. Und die sind weder richtig noch falsch. Sie sind eben da. Und wenn ich sie nicht beachte, suchen sie sich ihren Weg, um in mein Bewusstsein zu gelangen. Sie prägen dann meine Gedanken und damit auch mein Verhalten. Durch die jahrelange Nichtbeachtung meiner Gefühle wurde mein Denken immer negativer bzw. trauriger und trostloser. Ich habe weder Freude noch Traurigkeit und Verzweiflung empfunden (durch das jahrelange Trauma ging das aber leider auch nicht). Also haben sich vor allem diese Gefühle wie Traurigkeit, Wut, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Angst, Todesangst, Minderwertigkeit einen anderen Kanal gesucht (nämlich versteckt hinter meinen Gedanken), um beachtet zu werden.

 

Mir fiel allerdings nicht auf, dass hinter meinen (depressiven) Gedanken und Grundüberzeugungen eigentlich diese unbeachteten Gefühle steckten. Und je mehr ich diese Gefühle verdrängt habe oder leider verdrängen musste, desto dunkler und intensiver wurden meine Gedanken. Und das ging so lange, bis ich letztlich nur im Selbstmord eine Erlösung gesehen habe. Eine Erlösung von all dem inneren Schmerz und diesem unglaublichen Druck. Dieser Druck kam durch meine Gefühle, die einfach beachtet werden und immer stärker in mein Bewusstsein wollten. Doch durch die immer düsterer werdenden Gedanken (hinter denen aber meine Gefühle steckten) hätte ich mich am Ende selbst umgebracht und damit hätte ich letztlich meine Gefühle auch nicht wahrgenommen. Selbstmord ist also nichts, „was man nicht macht“; „Das ist was Verbotenes“ oder solcher Quatsch. Nein, ich hätte mit diesem Verhalten (also dem Selbstmord) gezeigt, dass ich keinen anderen Weg gesehen hätte, um mit meinen verdrängten Gefühlen in Kontakt zu kommen.

 

Und meine eigene Maßregelung, die ich empfunden habe, als ich ernsthaft Selbstmord in Betracht gezogen habe, hat mich dann so wütend gemacht, dass ich durch das Schreiben eine Grenze gesetzt habe. Denn ich hatte das Gefühl, dass ich durch das Abtun des Selbstmords auch meine dahinterliegenden Gefühle abwerte und beiseiteschiebe. Und das ging einfach nicht. Meine ganze Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit wollten einfach endlich auch ihre Daseinsberechtigung haben („Selbstmord“ schreibt sich übrigens gerade auch gar nicht mehr schlimm).

 

Ich sehe Selbstmord daher jetzt auch anders. Nein, ich werde ihn nicht ausführen, denn ich weiß ja nun, was dahintersteckt und dass die Therapie mein Weg sein wird, um mit meinen verdrängten Gefühlen in Kontakt zu kommen. Selbstmord ist lediglich eine Verhaltensweise, die zeigt, dass eine Person nur auf diese Art mit den möglicherweise verdrängten Gefühlen und (angetrieben durch die Gefühle) immer heftigeren Gedanken umgehen konnte. Und wer darf sich da bitte anmaßen, diese Entscheidung als richtig oder falsch einzuschätzen? Es ist sogar sehr traurig, dass diese Person scheinbar von niemandem mal angesprochen wurde.

(Anmerkung zu den Bildern:

Es ist mir sehr wichtig, zu zeigen, dass ich mir nichts aus den Fingern ziehe. Die Fotos meiner Tagebuchseiten sind stark verkleinert, um die Ladezeit der Seite so kurz wie möglich zu halten. Das geht, bewusst, auf Kosten der Lesbarkeit. Deshalb sind die Texte nochmal abgetippt.)

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