· 

Der kleine Vogel und der Musikant

Eine Geschichte über die Liebe

Es war einmal ein begabter Musikant, der auf einem wunderschönen Hof lebte. In seinem großen Garten standen viele mächtige Bäume und die Tiere fühlten sich wohl bei ihm. Er liebte es, an einem kleinen Tisch vor seinem Haus zu sitzen, Gitarre zu spielen und zu singen. In der ganzen Umgebung war er für seine schönen Melodien bekannt und die Menschen erfreuten sich an seiner Musik. 

 

Eines Tages saß auf dem Tisch ein kleiner, bunter Vogel. Der Musikant hatte ihn vorher noch nie gesehen. Das Gefieder des zierlichen Vogels strahlte in der Sonne und er war so schön, dass der Musikant ihn sogleich in sein Herz schloss. Der neugierige Vogel war vom Gitarrenspiel und Gesang des Musikanten angelockt worden, denn er hatte erkannt, wie gern der Mann musizierte. 

 

Sogleich begann der kleine Vogel in herrlichen Tönen zu singen und der Musikant spielte dazu so wunderbar auf seiner Gitarre, dass es eine helle Freude war, ihnen zuzuhören. So ging das fortan Tag um Tag und beide freuten sich stets aufeinander. 

 

Doch allmählich beschlich den Musikanten ein ängstlicher Gedanke: Was wäre, wenn ihn der kleine Vogel eines Tages nicht mehr besuchen würde? Bei dieser Vorstellung wurde es dem Musikanten immer schwerer ums Herz. Er hatte den Vogel so liebgewonnen, dass er ihn für immer bei sich behalten wollte. So entschied der Musikant eines Tages, den Vogel während seines täglichen Besuchs zu fangen. Der ahnungslose Vogel konnte der Falle nicht entgehen. Gefangen im Käfig flog er voller Angst wie wild umher, aber er konnte nicht entkommen. Der Musikant stellte den Käfig auf eine Fensterbank im Haus und hoffte, dass sie nun noch häufiger gemeinsam musizieren würden. 

 

Doch die einst fröhlichen Gesänge des kleinen Vogels wurden immer trauriger, bis er schließlich verstummte. Er aß und trank nicht mehr, bis letztlich das Strahlen seines bunten Gefieders verblasste. Zunächst war der Musikant zornig. Er schimpfte sogar mit dem Vogel, denn wie üblich wollte er mit ihm musizieren. Aber die Kraft des Tieres schwand immer weiter. Der Vogel wurde vor Kummer schwer krank und drohte zu sterben. Als er seine Augen schloss, die stets traurig auf das Fenster gerichtet waren, erkannte der Mann seinen Fehler. Schweren Herzens öffnete er die Käfigtür und das Fenster, sodass der kleine Vogel unter Aufbietung der letzten Lebenskräfte davonfliegen konnte. 

 

Die Monate vergingen und der Musikant saß einsam und still in seinem Haus. Nun war eingetreten, wovor er solche Angst gehabt hatte. Der kleine Vogel fehlte ihm sehr. 

 

Als die Bäume im folgenden Frühjahr bereits ihr neues Laub entfaltet hatten, hörte der traurige Mann plötzlich einen vertrauten Gesang. Der kleine Vogel saß wieder auf dem kleinen Tisch vor seinem Haus! Stellt euch die Freude des Musikanten vor! Der Vogel war von der Gefangenschaft genesen, das Gefieder strahlte wie zuvor und sein Gesang war noch klarer und schöner. Der tierische Sänger hatte dem Musikanten den Fehler verziehen. Denn der weise Vogel hatte in den Melodien des Mannes stets dessen gutes Herz gehört. 

 

Fortan musizierten sie jeden Tag gemeinsam und wer die beiden hörte, konnte über die Schönheit ihrer Musik nur staunen. Wann immer er wollte, konnte der kleine Vogel den Musikanten besuchen und dieser versuchte nie wieder, seinen treuen Gefährten einzusperren.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0